Schlafender Mann in einem Schließfach in München, 1972 © Al Herb
München – sauber, prüde, langweilig. Dieses Klischee ist nicht neu. Schon in der Nachkriegszeit galt die Landeshauptstadt Bayerns als die spießigste aller deutschen Großstädte. Die Bilder, die der junge Fotograf Al Herb in den 50er Jahren auf seinen nächtlichen Streifzügen durch die Straßen rund um den Hauptbahnhof machte, erzählen jedoch eine andere Geschichte. Sie zeigen ein anderes München. Das München der “Schönheitstänzerinnen” und der Prostituierten, der amerikanischen GIs und ihrer “Frolleins”, das München der Obdachlosen und der Kriegskrüppel. 50 Jahre lang war Al Herb der fotografische Chronist des skurrilen und sündigen Münchens.
Al Herb (*1931) brachte sich das Fotografieren während seines Jura-Studiums selbst bei. Aus seinem Hobby wurde ein zweites Standbein: Von 1954 bis 1997 arbeitete er u.a. für die Bildagentur Keystone. Trotzdem beendete er sein Studium und arbeitete hauptberuflich als Jurist bei verschiedenen Unternehmen. Zuletzt lebte Al Herb in München-Laim.
Seine Faszination galt seit den Nachkriegsjahren ganz besonders den Verrückten und den Verlierern, den Gescheiterten und den Gestrandeten der Stadt. Das Münchner Bahnhofsviertel war Al Herbs Revier. Dort zog er mit seiner Kamera durch Striplokale und Spelunken – wie auch die amerikanischen Besatzungssoldaten, die versuchten ihren Teil des “Fleshpots”, des an “Frolleins” so reichen Münchens, abzugreifen. Al Herb lichtete die Animiermädchen und Amüsiersüchtigen vor und in den einschlägigen Schuppen wie der Havana Bar oder der Bongo Bar ab.
Es sind mitunter Szenen zum Schmunzeln, die der Fotograf im frivolen München der Nacht festhielt. Aber gerade die Nacht hatte schon immer ihre Schattenseiten. Tragische Schicksale verbargen sich hinter und zwischen den glitzernden Fassaden der verruchten Amüsierlokale. Gerade den Heimatlosen und den Alkoholikern, den Kriegsversehrten und den Prostituierten vom Straßenstrich galt Al Herbs Interesse. Bis in die 90er Jahre hinein sollten die Gescheiterten der Gesellschaft ihren besonderen Platz im Portfolio des Fotografen behalten.
Darüber hinaus fotografierte er eine Reihe ausgesprochen ästhetischer teils skurriler Straßenszenen in der bayerischen Landeshauptstadt.
Al Herb verstarb im Jahr 2015.
Sein Sündiges München ist im gleichnamigen Bildband publiziert worden.
All unsere Bilder von Al Herb finden Sie in unserer Datenbank. Hier ein kleiner Vorgeschmack:
Amerikanische Soldaten und Prostituierte in der Senefelderstraße in München, 1954 © Al Herb
Nonnen vor dem Karlstor in München (undatierte Aufnahme) © Al Herb
Mann mit Prothese auf Parkbank im Alten Botanischen Garten (undatierte Aufnahme) © Al Herb
Punks an der Mariensäule in München, 1984 © Al Herb
Musiker und Mädchen in der Fußgängerzone in München, 1984 © Al Herb
Mann mit Adler in München, 1960 © Al Herb
Menschen vor einem TV-Geschäft in München, 1984 © Al Herb