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Ans Licht geholt: Hans Kaulertz – Zeitgenosse der “samtenen Revolutionäre” und Leibfotograf Bohumil Hrabals

Porträt zweier junger Polizisten auf einer Demonstration im Verlauf der "Samtenen Revolution" auf dem Wenzelsplatz in Prag.Zwei betrunkene Polizisten während der “samtenen Revolution” in Prag, 1989 © Hans Kaulertz  

Neu und exklusiv bei SZ Photo: Unveröffentlichte Bilder eines bis heute völlig unbekannten Fotografen herausragender Persönlichkeiten und Ereignisse der tschechischen Zeit- und Literaturgeschichte.

Als 1989 das kommunistische Regime in der von Václav Havel und Alexander Dubček angeführten “samtenen Revolution” zusammenbrach, war ein Mann mit seiner Kamera mittendrin: Hans Kaulertz.

Als Lebensgefährte der renommierten Übersetzerin und Bohemistin Susanna Roth pflegte Hans Kaulertz enge Kontakte zu den einflussreichsten aller tschechischen Autoren, Bohumil Hrabal und Milan Kundera, deren Werke Susanna Roth so virtuos ins Deutsche überführte, aber auch zu anderen bedeutenden osteuropäischen Schriftstellern wie Péter Esterházy oder Literaturnobelpreisträger Joseph Brodsky.

Trotz Kamera genoss der Autodidakt Kaulertz stets das vollste Vertrauen seiner berühmten Zeitgenossen. So konnte er sie aus einzigartiger Nähe portraitieren – oft in ganz privaten Situationen, auf gemeinsamen Reisen oder auch bei streng geheimen Treffen regimekritischer politisch-intellektueller Zirkel, von denen die Revolution 1989 maßgeblich getragen wurde.

Auf den Bildern solcher Veranstaltungen, z.B. der Helsinki Federation oder des Institut für die Wissenschaft vom Menschen (IWM), tauchen auch so illustre Persönlichkeiten wie Financier und Philanthrop George Soros, Diplomat und Verleger Lord George Weidenfeld oder Fürst Karel Schwarzenberg, späterer Außenminister unter Vaclav Havel und Förderer der tschechischen Literatur, auf.

Porträt einer Demonstrantin auf einem Protestmarsch gegen das kommunistische Regime in Tschechien.Samtene Revolution in Prag, November 1989 © Hans Kaulertz  

Aktivisten malen in einer Galerie Schilder für einen Protestmarsch gegen das kommunistische Regime in der Tschecheslowakei.Aktivisten malen in einer Prager Galerie Protestschilder, November 1989 © Hans Kaulertz  

Auch Havel selbst sowie weitere Dissidenten und Unterzeichner der Charta 77 wie den späteren Außenminister Jiří Dienstbier oder den späteren Prager Weihbischof Václav Malý fotografierte Hans Kaulertz.

Für den Ausstellungskatalog Tradition und Avantgarde in Prag portraitierte Kaulertz vom kommunistischen Regime verfemte Künstler, die eine nicht erwünschte, inoffizielle Künstlerszene in Prag gebildet hatten, in Schaffensperioden, aus denen es bisher kaum Fotos der Künstler gibt. Zu ihnen gehören Milan Knížák, Jiří Kolář, Hugo Demartini, Karel Nepras, Věra Janoušková, Zdenek Sykora, Olbram Zoubek oder Bedřich Dlouhý.

Die Übersetzerin Susanna Roth und die Lektorin Angela Martini-Wonde 1989 in Wien.Die Übersetzerin Susanna Roth (li.) mit Lektrorin Angela Martini-Wonde, 1989 © Hans Kaulertz  

Der tschechische Auto Bohumil Hrabal in Prag 1990.Eines der zahlreichen Porträts von Bohumil Hrabal, 1990 © Hans Kaulertz  

Der tschechische Künstler Jiri Kolar (1914-2002) in seinem Atelier in Paris. Kolar war Mitbegründer des Künstlerkollektivs Skupina 42 (Gruppe 42), Unterzeichner der Charta 77 und einer der profiliertesten Regimekritiker der CSSR. Das Foto machte und veröffentlichte Hans Kaulertz unter seinem damaligen Pseudonym 'Jan Burgau'. Der tschechische Künstler und politische Aktivist Jiří Kolář, 1990 © Hans Kaulertz  

Das Highlight des Fotoarchivs von Hans Kaulertz sind unzweifelhaft Hunderte Bilder des großen Erzählers Bohumil Hrabal. Hrabal, der den Umsturz von 1989 durch Studenten, Schauspieler, Schriftsteller und Künstler als “Revolution der Kinder und der Clowns” bezeichnete, stand seiner Muse Susanna Roth und ihrem Lebensgefährten besonders nahe.* Auf den vielen gemeinsamen Treffen und Reisen entstanden zahlreiche Portraits des launigen aber auch launischen Autoren: Beim obligatorischen Bier in der Kneipe, beim Sonnen am Swimmingpool, vor einem McDonald’s in den USA, beim Haareschneiden im Garten. Mal schelmisch, mal schimpfend. Mal wild gestikulierend, mal demonstrativ beleidigt. Immer gut sichtbar für Kaulertz und seinen Fotoapparat. “Hrabal liebte und suchte die Kamera geradezu”, erzählt er über den durchaus exzentrischen Erzähler.

Ganz anders als Kundera: “Mit Milan [Kundera] war ich unzählige Stunden spazieren, doch fotografieren lassen wollte er sich nie – und das habe ich immer respektiert”, berichtet Kaulertz über den öffentlichkeitsscheuen Autor. Es sind gerade auch die Bilder, welche ein Fotograf nicht macht, die einen guten Fotografen ausmachen.

Hans Kaulertz lebt heute mit seiner Ehefrau an der Algarve in Portugal.

Exklusiv bei SZ Photo finden Sie ab jetzt bisher weitgehend unveröffentlichte Bilder von Hans Kaulertz. 

 

* Hrabal überschrieb Susanna Roth in seinem Testament die Auslandsrechte an seinem Werk. Nur fünf Monate nach dem mysteriösen Tod Hrabals am 3. Februar 1997 durch einen Sturz aus einem Prager Krankenhausfenster – der “Vierte Prager Fenstersturz”… offiziell ein Unfall, nach Meinung vieler, u.a. von Susanna Roth, ein Selbstmord – verstarb Susanna Roth selbst an Krebs.