DDR-Grenzer blickt über die Mauer am Potsdamer Platz nach West-Berlin, 1988 © Paul Glaser
Wie wird man eigentlich Pressefotograf? So zum Beispiel:
In Berlin habe ich an der Freien Universität Philosophie studiert, das Studium abgebrochen während der Demo-Zeit 1967. Dann habe ich viele Schulden angehäuft nach einer Pleite mit einer Kneipe. Der Gerichtsvollzieher hat mir dann empfohlen, einen Job zu machen, bei dem ich so wenig verdiente, dass er nicht pfänden musste. Da war die Arbeit als Pressefotograf gut geeignet, nach dem Motto: ein Pressefotograf hat zwei Kameras und eine Frau, die die Miete verdient.
So beginnt die fotografische Laufbahn von Paul Glaser (*1941). Über vier Jahrzehnte dokumentiert er von da an das Leben in Berlin, in der Stadt “zwischen Weltpolitik und Kiezproblemen”. Ab sofort vertritt SZ Photo die Berliner Institution. Nach und nach übernehmen wir Paul Glasers eindrucksvolles zeitgeschichtliches Fotoarchiv in unseren Bildbestand.
Rechtzeitig zum 30. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer finden Sie dort bereits jetzt über 3.000 Glaser-Fotos aus der DDR und den neuen Bundesländern aus den Jahren unmittelbar nach der Wende – von seltenen Einblicken in die volkseigenen Betriebe (VEB), in Bergbau und Atomkraftwerke, über Köpfe der SED und natürlich den Mauerfall bis hin zum Verfall von Städten und Wirtschaft in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg. Glaser wurde gewissermaßen zum Chronisten des Untergangs der DDR.
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Mit dem Zusammenbruch der DDR tritt ein anderes Problem offen zutage: Früher als viele andere erkennt Glaser das Aufkeimen rechtsradikaler Gruppierungen in den Ost-Bundesländern. Er fotografiert Aufmärsche von Neonazis mit über 20.000 Teilnehmern.
Einen besonderen Blick hat der Pressefotograf auch für die Migranten in Berlin. Glaser interessiert sich für ihre Tradtionen und Religion, begleitet sie auf Familienfeste, in die Moschee oder in in die Arbeit. Schon immer begreift er Berlin als Einwanderungsstadt, als weltoffene und bunte Metropole.
“Überhaupt habe ich nur politische Themen bearbeitet, keine Schauspieler, keine Schlagersänger, außer sie haben für irgendwas kandidiert”, erklärt Paul Glaser. So ziehen sich Fotos von Politikern, etwa von Hans-Jochen Vogel während seiner Berliner Zeit, oder Bilder verschiedener Demonstrationen durch sein Portfolio.
Glaser blieb immer selbstständig. Zu seinen Auftraggebern gehörten u.a. die taz, die Süddeutsche Zeitung oder Parteizeitungen von SPD und CDU. 1990 fotografierte er im Auftrag des langjährigen SZ-Chefredakteurs Dieter Schröder regelmäßig für das Wochenblatt “Diese Woche”, das die Süddeutsche Zeitung damals speziell für ostdeutsche Leserinnen und Leser herausgab.
Update (22.03.2022): Paul Glaser ist am 10. März 2022 in Berlin an den Folgen einer Krebserkrankung verstorben.
Ein kleiner Vorgeschmack auf die vielen Tausend Fotos von Paul Glaser, die wir schrittweise in unserer Datenbank bereitstellen werden:
Trabi in Bitterfeld, Dezember 1989 © Paul Glaser
Arbeiterin in der Fertigung von DeTeWe in Berlin-Kreuzberg, 1988 © Paul Glaser
Mann im Arbeiterviertel von Bitterfeld, 1989 © Paul Glaser
Altstadt von Aschersleben, Oktober 1989 © Paul Glaser
Eine alte Frau schaufelt Braunkohle-Briketts in den Keller, Bitterfeld, 1983 © Paul Glaser
Junge Rechtsradikale bei einer Trauerveranstaltung für Rudolf Heß, Berlin, 1980 © Paul Glaser
Ausländische Arbeiterinnen vor dem AEG-Werk Berlin-Wedding, 1982 © Paul Glaser
Demonstration gegen den Besuch des US-Verteidigungsministers Haig, Berlin, 1982 © Paul Glaser
SPD-Politiker Hans-Jochen Vogel bei einer Rede in Berlin, 1985 © Paul Glaser