Tag Archives: Zeitgeschichte

Das Berliner Fotografen-Urgestein Paul Glaser – ab sofort bei SZ Photo

Berlin-City / Mitte / DDR / 6 / 1988 Potsdamer Platz: DDR-Grenzer schauen nach Westberlin. Dort haben junge Leute ein Stueck Niemandsland besetzt. Es liegt im Westen gehoert aber zum Osten. Die Westberliner Polizei ist gerade dabei zu raeumen. Der DDR-Grenzer weiss nicht, was auf der West-Seite der Mauer steht: -God loves you- // DDR-Mauer / Geschichte / Kommunismus / DDR-Staat

DDR-Grenzer blickt über die Mauer am Potsdamer Platz nach West-Berlin, 1988 © Paul Glaser  

Wie wird man eigentlich Pressefotograf? So zum Beispiel:

In Berlin habe ich an der Freien Universität Philosophie studiert, das Studium abgebrochen während der Demo-Zeit 1967. Dann habe ich viele Schulden angehäuft nach einer Pleite mit einer Kneipe. Der Gerichtsvollzieher hat mir dann empfohlen, einen Job zu machen, bei dem ich so wenig verdiente, dass er nicht pfänden musste. Da war die Arbeit als Pressefotograf gut geeignet, nach dem Motto: ein Pressefotograf hat zwei Kameras und eine Frau, die die Miete verdient.

So beginnt die fotografische Laufbahn von Paul Glaser (*1941). Über vier Jahrzehnte dokumentiert er von da an das Leben in Berlin, in der Stadt “zwischen Weltpolitik und Kiezproblemen”. Ab sofort vertritt SZ Photo die Berliner Institution. Nach und nach übernehmen wir Paul Glasers eindrucksvolles zeitgeschichtliches Fotoarchiv in unseren Bildbestand.

Rechtzeitig zum 30. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer finden Sie dort bereits jetzt über 3.000 Glaser-Fotos aus der DDR und den neuen Bundesländern aus den Jahren unmittelbar nach der Wende – von seltenen Einblicken in die volkseigenen Betriebe (VEB), in Bergbau und Atomkraftwerke, über Köpfe der SED und natürlich den Mauerfall bis hin zum Verfall von Städten und Wirtschaft in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg. Glaser wurde gewissermaßen zum Chronisten des Untergangs der DDR.

Hier geht’s zu unserem Special Mauerfall und Wiedervereinigung

Mit dem Zusammenbruch der DDR tritt ein anderes Problem offen zutage: Früher als viele andere erkennt Glaser das Aufkeimen rechtsradikaler Gruppierungen in den Ost-Bundesländern. Er fotografiert Aufmärsche von Neonazis mit über 20.000 Teilnehmern.

Einen besonderen Blick hat der Pressefotograf auch für die Migranten in Berlin. Glaser interessiert sich für ihre Tradtionen und Religion, begleitet sie auf Familienfeste, in die Moschee oder in in die Arbeit. Schon immer begreift er Berlin als Einwanderungsstadt, als weltoffene und bunte Metropole.

“Überhaupt habe ich nur politische Themen bearbeitet, keine Schauspieler, keine Schlagersänger, außer sie haben für irgendwas kandidiert”, erklärt Paul Glaser. So ziehen sich Fotos von Politikern, etwa von Hans-Jochen Vogel während seiner Berliner Zeit, oder Bilder verschiedener Demonstrationen durch sein Portfolio.

Glaser blieb immer selbstständig. Zu seinen Auftraggebern gehörten u.a. die taz, die Süddeutsche Zeitung oder Parteizeitungen von SPD und CDU. 1990 fotografierte er im Auftrag des langjährigen SZ-Chefredakteurs Dieter Schröder regelmäßig für das Wochenblatt “Diese Woche”, das die Süddeutsche Zeitung damals speziell für ostdeutsche Leserinnen und Leser herausgab.

Update (22.03.2022): Paul Glaser ist am 10. März 2022 in Berlin an den Folgen einer Krebserkrankung verstorben.

Ein kleiner Vorgeschmack auf die vielen Tausend Fotos von Paul Glaser, die wir schrittweise in unserer Datenbank bereitstellen werden:

Sachsen-Anhalt / DDR-Land / Dezember 1989 Bitterfeld,Stadtansichten: Brehnaer / Hallesche Strasse, ein Trabi im Vordergrund, Wintertag // / Bundeslaender /

 Trabi in Bitterfeld, Dezember 1989 © Paul Glaser  

Berlin / Kreuzberg / 17.10.1980DeTeWe: In dem Betrieb werden Schaltschraenke fuer die Post hergestellt. Die Frauen produzieren Teile in der Vorfertigung. In der naechsten Generation der Technik werden diese Arbeiten von Automaten gemacht.Frau an der Galvanik. In den Reihen von Chemikalien-Baedern werden Leiterplaten geaetzt. Die Frau legt die Platten auf Transport-Baender.// Frauen-Arbeit / Industrie-Geschichte /

Arbeiterin in der Fertigung von DeTeWe in Berlin-Kreuzberg, 1988 © Paul Glaser  

Sachsen-Anhalt / DDR-Land / Wirtschaft / Dez. 1989 Bitterfeld, Arbeiterviertel am Bahngelaende des Braunkohlen-Kombinats. Puschkinstrasse // Altstadt / Bundeslaender // Menschen /

Mann im Arbeiterviertel von Bitterfeld, 1989 © Paul Glaser  

Bundeslaender / DDR-Land / Oktober 1989 Sachsen-Anhalt: Aschersleben: Altstadt //

Altstadt von Aschersleben, Oktober 1989 © Paul Glaser  

Sachsen-Anhalt / DDR-Land/ November 1989 Bitterfeld, eine alte Frau schaufelt Braunkohlen-Briketts in den Keller. In der DDR war es ueblich, den Kunden die Kohlen vor das Haus zu schuetten. Wohnsiedlung am Eisenbahn-Gelaende. // Menschen / Energie / Bundeslaender / Frauen

Eine alte Frau schaufelt Braunkohle-Briketts in den Keller, Bitterfeld, 1983 © Paul Glaser  

Berlin-Spandau / Nazis / rechte Gruppen 20.8.1987Vor dem Kriegsverbrechergefaengnis in Spandau, Rudolf Hess ist gerade gestorben. Die Rechten versammeln sich zur Trauer.Junger Rechtsradikaler Michael Wendt (rechts) mit Reichskriegsflagge und dem Kuehnen-Gruss, einer Abwandlung des Hitlergrusses, der verboten war. Ein Polizist erkundigt sich, was das alles soll. Vorne Blumen fuer Hess.// Nazi / Faschismus / *** Local Caption *** The Prison for war criminals in Berlin-Spandau. The last prisoner, Rudolf Hess, just died after 46 years in the prison shown in the background. Right wing people are gathering for mourning. Young right wing Michael Wendt with the war flag of the Reich and a modified Hitler Salutation, because the original was forbidden.

 Junge Rechtsradikale bei einer Trauerveranstaltung für Rudolf Heß, Berlin, 1980 © Paul Glaser  

Berlin-Wedding / Industrie / Metall / 23.8.1982 Die AEG im Wedding soll geschlossen werden. Die Belegschaft wird zu einer Betriebs-Versammlung gerufen auf dem Hof der Fabrik. Auslaendische Frauen kommen aus den Hallen, es sind meist Frauen aus Jugoslawien. // Betrieb / Auslaender / Europa / Mehr Infos? Bitte nach Bild-Nr. suchen s39-3144. 1888 baute die AEG einen grossen Industrie-Komplex in Wedding an der Ackerstrasse, der schon bald zu klein war. Sie uebernahmen ein noch groesseres Gelaende an der Voltastrasse. In den riesigen Fabriken wurde fast alles hergestellt, was die AEG verkaufte: Kleinmotoren und Riesen-Turbinen, Gluehlampen und Gross-Maschinen. Als auch das Gelaende zu klein wurde, baute die AEG in Oberschoeneweide weitere grosse Fabriken. 1978 wurde der Komplex Ackerstrasse geschlossen, 1983 auch die Fabriken an der Voltastrasse. 1990 und danach wurden alle Fabriken an der Wilhelminenhofstrasse geschlossen. *** Local Caption *** AEG factory in Berlin-Wedding, Brunnenstrasse. employees meeting. The factory will be closed. Workers leaving their production halls an gathering in the yard to listen to the shop steward. AEG mill in Wedding was built in 1888, producing small motors an big turbines. More than 6000 workers and energy plants. Since 1990 all facilities in Berlin were closed.

Ausländische Arbeiterinnen vor dem AEG-Werk Berlin-Wedding, 1982 © Paul Glaser  

Berlin / Anti-Raketen-Demos / 13.9.1981 Demo waehrend des Besuchs des amerikanischen Verteidigungs-Ministers Haig in Berlin. Fuer die Linke ist Haig ein Kriegstreiber. Nach der Demonstration kommt es am Winterfeldtplatz zu Krawallen mit brennenden Barrikaden und vielen Verletzten. Hier verbrennen Demonstranten an der Winterfeldtstrasse eine amerikane Fahne // Amerika / Ruestung / Friedensbewegung / Alliierte

Demonstration gegen den Besuch des US-Verteidigungsministers Haig, Berlin, 1982 © Paul Glaser  

Berlin / SPD / 1985 Hans Jochen Vogel, SPD // Galerie / Portraet

SPD-Politiker Hans-Jochen Vogel bei einer Rede in Berlin, 1985 © Paul Glaser  

Special: Mauerfall und Wiedervereinigung

Die ersten Teile der Mauer werden von Buergern in der Naehe des Brandenburger Tors abgerissen, gegen Mitternacht zwischen dem 09. und 10.11.1989.

© José Giribás/Süddeutsche Zeitung Photo  

Die Mauer zwischen Ost- und Westdeutschland ist nun länger “gefallen”, als sie Bestand hatte. In diesem Jahr ist es 30 Jahre her, dass DDR-Bürger ihr erst mit Worten und dann mit Spitzhacken zu Leibe gerückt sind. Grenzen gibt es noch immer, in den Köpfen, in Wirtschaftskraft und Einkommen – und auch Reste der Mauer stehen nach wie vor, sind Orte des Gedenkens oder Raum für die Kunst geworden.

Vom Mauerbau und Grenzrealitäten, von der Überwindung der deutschen Teilung und der heutigen Erinnerungskultur erzählen die Bilder von Regina Schmeken, José Giribás, Ulrich Baumgarten, Rolf Zöllner, Lothar M. Peter, Jochen Eckel und von vielen anderen unserer Fotografen in unserem SZ Photo Special Mauerfall und Wiedervereinigung. Die thematischen Kapitel in der Übersicht:

Teilung in DDR und BRD

Die Grenze zwischen Ost und West

Alltag der Bevölkerung in der DDR

Friedliche Revolution und Wende

Weichenstellung & Wiedervereinigung

Erinnerung

Special: Deutschland 1949. Geteilte Geschichte

Deutsche-deutsche Grenze in Berlin, 1950er Jahre

© Jacoby/Süddeutsche Zeitung Photo  

In das Jahr 2019 fällt der 70. Jahrestag der zweifachen deutschen Staatsgründung. Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet, am 7. Oktober desselben Jahres wurde die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik in Kraft gesetzt. Lediglich vier Jahre lagen zwischen dem Ende des Nationalsozialismus und der folgenden, 40 Jahre andauernden deutschen Teilung.

Einschneidende historische Ereignisse und Entwicklungen, die diesen Weg zwischen Zusammenbruch und Neubeginn prägten, haben wir in Bilddossiers aufbereitet, die Sie in unserem neuen Special Deutschland 1949. Geteilte Geschichte zu folgenden thematischen Kapiteln finden:

Zwischen Kriegsfolgen und Wirtschaftswunder. Deutschland in der Nachkriegszeit

Weichenstellungen im Zeichen des Ost-West-Konfliktes. Die politische Integration der Besatzungszonen

Deutsche Teilung. Die Staatsgründungen in West und Ost

 

Ans Licht geholt: Hans Kaulertz – Zeitgenosse der “samtenen Revolutionäre” und Leibfotograf Bohumil Hrabals

Porträt zweier junger Polizisten auf einer Demonstration im Verlauf der "Samtenen Revolution" auf dem Wenzelsplatz in Prag.Zwei betrunkene Polizisten während der “samtenen Revolution” in Prag, 1989 © Hans Kaulertz  

Neu und exklusiv bei SZ Photo: Unveröffentlichte Bilder eines bis heute völlig unbekannten Fotografen herausragender Persönlichkeiten und Ereignisse der tschechischen Zeit- und Literaturgeschichte.

Als 1989 das kommunistische Regime in der von Václav Havel und Alexander Dubček angeführten “samtenen Revolution” zusammenbrach, war ein Mann mit seiner Kamera mittendrin: Hans Kaulertz.

Als Lebensgefährte der renommierten Übersetzerin und Bohemistin Susanna Roth pflegte Hans Kaulertz enge Kontakte zu den einflussreichsten aller tschechischen Autoren, Bohumil Hrabal und Milan Kundera, deren Werke Susanna Roth so virtuos ins Deutsche überführte, aber auch zu anderen bedeutenden osteuropäischen Schriftstellern wie Péter Esterházy oder Literaturnobelpreisträger Joseph Brodsky.

Trotz Kamera genoss der Autodidakt Kaulertz stets das vollste Vertrauen seiner berühmten Zeitgenossen. So konnte er sie aus einzigartiger Nähe portraitieren – oft in ganz privaten Situationen, auf gemeinsamen Reisen oder auch bei streng geheimen Treffen regimekritischer politisch-intellektueller Zirkel, von denen die Revolution 1989 maßgeblich getragen wurde.

Auf den Bildern solcher Veranstaltungen, z.B. der Helsinki Federation oder des Institut für die Wissenschaft vom Menschen (IWM), tauchen auch so illustre Persönlichkeiten wie Financier und Philanthrop George Soros, Diplomat und Verleger Lord George Weidenfeld oder Fürst Karel Schwarzenberg, späterer Außenminister unter Vaclav Havel und Förderer der tschechischen Literatur, auf.

Porträt einer Demonstrantin auf einem Protestmarsch gegen das kommunistische Regime in Tschechien.Samtene Revolution in Prag, November 1989 © Hans Kaulertz  

Aktivisten malen in einer Galerie Schilder für einen Protestmarsch gegen das kommunistische Regime in der Tschecheslowakei.Aktivisten malen in einer Prager Galerie Protestschilder, November 1989 © Hans Kaulertz  

Auch Havel selbst sowie weitere Dissidenten und Unterzeichner der Charta 77 wie den späteren Außenminister Jiří Dienstbier oder den späteren Prager Weihbischof Václav Malý fotografierte Hans Kaulertz.

Für den Ausstellungskatalog Tradition und Avantgarde in Prag portraitierte Kaulertz vom kommunistischen Regime verfemte Künstler, die eine nicht erwünschte, inoffizielle Künstlerszene in Prag gebildet hatten, in Schaffensperioden, aus denen es bisher kaum Fotos der Künstler gibt. Zu ihnen gehören Milan Knížák, Jiří Kolář, Hugo Demartini, Karel Nepras, Věra Janoušková, Zdenek Sykora, Olbram Zoubek oder Bedřich Dlouhý.

Die Übersetzerin Susanna Roth und die Lektorin Angela Martini-Wonde 1989 in Wien.Die Übersetzerin Susanna Roth (li.) mit Lektrorin Angela Martini-Wonde, 1989 © Hans Kaulertz  

Der tschechische Auto Bohumil Hrabal in Prag 1990.Eines der zahlreichen Porträts von Bohumil Hrabal, 1990 © Hans Kaulertz  

Der tschechische Künstler Jiri Kolar (1914-2002) in seinem Atelier in Paris. Kolar war Mitbegründer des Künstlerkollektivs Skupina 42 (Gruppe 42), Unterzeichner der Charta 77 und einer der profiliertesten Regimekritiker der CSSR. Das Foto machte und veröffentlichte Hans Kaulertz unter seinem damaligen Pseudonym 'Jan Burgau'. Der tschechische Künstler und politische Aktivist Jiří Kolář, 1990 © Hans Kaulertz  

Das Highlight des Fotoarchivs von Hans Kaulertz sind unzweifelhaft Hunderte Bilder des großen Erzählers Bohumil Hrabal. Hrabal, der den Umsturz von 1989 durch Studenten, Schauspieler, Schriftsteller und Künstler als “Revolution der Kinder und der Clowns” bezeichnete, stand seiner Muse Susanna Roth und ihrem Lebensgefährten besonders nahe.* Auf den vielen gemeinsamen Treffen und Reisen entstanden zahlreiche Portraits des launigen aber auch launischen Autoren: Beim obligatorischen Bier in der Kneipe, beim Sonnen am Swimmingpool, vor einem McDonald’s in den USA, beim Haareschneiden im Garten. Mal schelmisch, mal schimpfend. Mal wild gestikulierend, mal demonstrativ beleidigt. Immer gut sichtbar für Kaulertz und seinen Fotoapparat. “Hrabal liebte und suchte die Kamera geradezu”, erzählt er über den durchaus exzentrischen Erzähler.

Ganz anders als Kundera: “Mit Milan [Kundera] war ich unzählige Stunden spazieren, doch fotografieren lassen wollte er sich nie – und das habe ich immer respektiert”, berichtet Kaulertz über den öffentlichkeitsscheuen Autor. Es sind gerade auch die Bilder, welche ein Fotograf nicht macht, die einen guten Fotografen ausmachen.

Hans Kaulertz lebt heute mit seiner Ehefrau an der Algarve in Portugal.

Exklusiv bei SZ Photo finden Sie ab jetzt bisher weitgehend unveröffentlichte Bilder von Hans Kaulertz. 

 

* Hrabal überschrieb Susanna Roth in seinem Testament die Auslandsrechte an seinem Werk. Nur fünf Monate nach dem mysteriösen Tod Hrabals am 3. Februar 1997 durch einen Sturz aus einem Prager Krankenhausfenster – der “Vierte Prager Fenstersturz”… offiziell ein Unfall, nach Meinung vieler, u.a. von Susanna Roth, ein Selbstmord – verstarb Susanna Roth selbst an Krebs.

Special: Tschechien und die Achter-Jahre

Troops of the Soviet Union and its Warsaw Pact allies invaded Czechoslovakia on August 21, 1968, to halt political liberalization in the country called the Prague Spring. Prague residents block tanks during confrontation between the Soviet troops and protesters near the Czechoslovak Radio headquarters. CTK Photo/Libor Hajsky

© Libor Hajsky/CTK  

2018 ist ein großes Erinnerungsjahr in Tschechien. Gleich mehrere der wichtigsten Ereignisse der tschechischen und tschechoslowakischen Geschichte haben einen runden Jahrestag. Denn: Die Achter-Jahre waren in Tschechien auffällig oft sehr geschichtsträchtig, v.a. im 20. Jahrhundert:

100 Jahre Unabhängigkeit von Österreich-Ungarn/Staatsgründung der Tschechoslowakei (1918)

80 Jahre Münchner Abkommen und die Besetzung des Sudetenlandes (1938)

70 Jahre Kommunistische Machtergreifung (1948)

50 Jahre Niederschlagung des “Prager Frühlings” (1968)

Im Special zu Tschechiens schicksalhaften Achter-Jahren 1918, 1938, 1948 und 1968 erwarten Sie unsere Bilddossiers zu diesen historischen Meilensteinen.

 

SZ Photo Ikonen: Das Foto der Kommune 1 (1967) von Thomas Hesterberg

Der Rückenakt der Mitglieder der Kommune 1 von Thomas Hesterberg ist das berühmteste Exklusivbild von SZ Photo – und eine der großen Fotoikonen der 68er-Bewegung und der deutschen Zeitgeschichte.

Mitglieder der Kommune 1, 1967

Ein Schlüsselbild der Zeitgeschichte: Die Kommune 1, 1967 © Thomas Hesterberg  

In einer Sechseinhalb-Zimmer-Wohnung in der Kaiser-Friedrich-Straße 54a am Stuttgarter Platz im Berliner Rotlichtviertel entsteht im Juni 1967 das K1-Foto. Der Fotograf und Künstler Thomas Hesterberg ist von der Kommune 1 um seinen alten Freund aus Münchner Tagen Dieter Kunzelmann und Rainer Langhans für eine Fotoaktion einbestellt worden. Es sind die heißen Wochen nach dem schicksalhaften 2. Juni 1967, an dem der Student Benno Ohnesorg vom Polizisten Karl-Heinz Kurras während der Proteste gegen den Besuch des persischen Schahs mit einem Schuss in den Hinterkopf getötet wurde. Die deutsche Studentenbewegung hatte seitdem Fahrt aufgenommen, die Töne und Maßnahmen wurden immer radikaler.

Die Mitglieder der Kommune 1 gelten mit ihren provokanten Happenings und Aktionen zum damaligen Zeitpunkt als Popstars der Protestbewegung. Hunderte Sympathisanten protestieren in diesem Sommer vor dem Schöneberger Rathaus für die Freilassung des Kommunarden Fritz Teufel, der seit dem 2. Juni wegen eines Steinwurfs bei einer Demonstration gegen den Schah in Untersuchungshaft sitzt. Die Kommune 1 sieht sich und ihre Generation zunehmender Polizeigewalt ausgesetzt und in ihrer Privatsphäre massiv eingeschränkt. Mit einer Broschüre soll auf die Missstände aufmerksam gemacht werden, der 30-jährige Tom Hesterberg soll das Titelfoto dafür schießen.

Hesterberg selbst hat die Idee für das einer Polizeirazzia nachempfundenen Nacktfoto. Chef-Provokateur und Patriarch Dieter Kunzelmann, Gertrud Hemmer, Volker Gebbert, Dagmar Seehuber (oder Antje Krüger), APO-It-Boy Rainer Langhans, Dorothea Ridder, Hans Magnus’ Bruder Ulrich Enzensberger und der kleine Sohn von Gertrud Hemmer, eines der beiden Kommune-Kinder, reihen sich nackt, mit ausgestreckten Armen und gespreizten Beinen an der ebenso nackten Wand des Frühstückszimmers der berühmtesten deutschen Wohngemeinschaft auf.

Bisher weitgehend unveröffentlichte Bilder von Hesterberg geben nun einen Einblick in den Tag, an dem das legendäre Foto der Kommune 1 entstanden ist.

Mitglieder der Kommune 1 beim Shooting zur Ikone, 1967

Das ‘Making-of’ einer Ikone © Thomas Hesterberg  

Nicht alle Kommunarden sind begeistert von dieser Idee. Schnell muss es also gehen, denn alle sind froh, sich wieder anziehen zu können. Ein paar Versuche benötigt Hesterberg trotzdem, bis das Foto im Kasten ist. Ausgewählt wird schließlich die Aufnahme, bei der der Hemmer-Sohn in die Kamera blickt (s.o.).

Vor allem die Nachher-Bilder vermitteln ein deutlich anderes Bild von der öffentlich als “Sex- und Drogen-WG” wahrgenommen Kommune 1. Schnell werden nach dem Fotoshooting wieder dicke Wollpullover übergestreift und bei Jasmintee Mao und Marcuse zitiert. So war die Revolution im Rotlichtviertel noch nie zu sehen.

Mitglieder der Kommune 1 nach dem berühmten Foto, 1967

Greifbares Unbehagen: Die Kommunarden nach dem Fotoshooting © Thomas Hesterberg  

Die Kommune 1 inszeniert sich nach außen gekonnt als radikaler Gegenentwurf zur bürgerlichen Gesellschaft, die Mitglieder pflegen für die Öffentlichkeit und die Medien ihr Image als Tabubrecher. Tatsächlich kommen Sex- und Drogenexperimente erst später, als mit dem Münchner Model Uschi Obermaier der Hedonismus in die bis dato eher durchorganisierte, verklemmte, regelrecht spießige Kommune einzieht. Hesterbergs provokative Ikone trug maßgeblich zur frühen Entstehung dieses Mythos bei.

“Die Zeitschrift Quick wollte das Foto damals unbedingt drucken, es gab da ein richtiges Wettrennen. Schließlich hat es der Spiegel als erstes gedruckt”, erzählt Lisa Rheingans, die Witwe von Tom Hesterberg. Die Version des Spiegel wurde jedoch retuschiert: Die männlichen Geschlechtsteile sollten den Lesern nicht zugemutet werden.

Seitdem wurde das Foto von Thomas Hesterberg im kollektiven Gedächtnis zu einer der ikonischen Schlüsselbilder der deutschen Zeitgeschichte. Es ist eines der markantesten Bilddokumente der 68er-Bewegung in Deutschland und der weltweiten Jugendrevolte der 60er Jahre, zugleich Symbolbild für die sexuelle Revolution.

Am 17. Juni 2017 widmeten die Süddeutsche Zeitung und Redakteur Christian Mayer dem Fotografen Thomas Hesterberg und seinen Bildern einen großen Artikel.

Mehr Informationen über Thomas Hesterberg erfahren Sie in unserem Blog-Artikel – mit weiteren unveröffentlichten Bildern.

Alle Bilder von Thomas Hesterberg aus der Kommune 1 finden Sie exklusiv bei SZ Photo.

Dossiers und Bildstrecken zur 68er-Bewegung erwarten Sie in unserem Ereignis-Special.

 

Das Fotoarchiv Otfried Schmidt

Romy Schneider, 1962

Romy Schneider, 1962 © Fotoarchiv Otfried Schmidt   

Vom Bildberichterstatter im Zweiten Weltkrieg zum Stammfotografen der Münchner Schickeria: Das Fotoarchiv von Otfried Schmidt zählt zu den spannendsten Sammlungen bei SZ Photo.

Otfried Schmidt wurde 1913 im Erzgebirge geboren und schoss die ersten Fotos bereits während seiner Gymnasialzeit. 1934 machte er erste Fotoreportagen mit seiner eigenen Leica und es folgten daraus schon Presseveröffentlichungen. Während des Krieges war er Bildberichterstatter in Frankreich, Russland und Italien. Die Gesellenprüfung für Fotografen legte er erst 1947 ab. In den Nachkriegsjahren war er vor allem freiberuflich tätig, u.a. für das Abendblatt, die Berliner Illustrirte Zeitung und die Münchner Illustrierte als auch für die Zeit, die Bild und den Stern.

Kurt Schumacher

Kurt Schumacher, 1946

Ab Mitte der 50er Jahre arbeitete Schmidt verstärkt für die Abendzeitung und begleitete insbesondere den berüchtigten Klatschkolumnisten Hannes Obermaier – besser bekannt unter seinem Pseudonym “Hunter” – bis zu dessen Abgang zur Bild auf unzähligen Veranstaltungen der noch jungen Münchner Schickeria. Ob lokale Prominente oder Größen des internationalen Showgeschäfts – Otfried Schmidt hatte Sie alle vor seiner Linse. Neben der Gesellschaftsfotografie waren seine Themen v.a. die Mode, Politiker und immer wieder der Zirkus und Tiere.

Kessler-Zwillinge, 1956

Alice und Ellen Kessler, 1956

Elizabeth Taylor

Elizabeth Taylor mit Ehemann Richard Burton, 1965

Henri Verneuil, Regisseur

Regisseur Henri Verneuil, 1965

Dompteur Fredy Knie junior mit Nashorn im Circus Krone, 1969

Dompteur Fredy Knie jr. mit Nashorn im Circus Krone, 1969

Aber auch zeithistorische Ereignisse und schwierige Themen finden sich in Fotoarchiv von Otfried Schmidt. In der Nachkriegszeit dokumentierte er die Deutschen auf ihrem Weg zurück in die Normalität, besuchte Flüchtlingslager und Arbeitsstätten für Kriegsversehrte. Den Wiederaufbau Münchens – etwa mit einer schönen Reportage von der Fertigstellung der Frauenkirche – hielt er ebenso fest wie die erste Wiesn nach dem Krieg im Jahr 1946.

Arbeiten an der Frauenkirche in München, 1953

Arbeiten an der Frauenkirche in München, 1953

Zu Beginn der 1970er Jahren dokumentierte er das Leben contergangeschädigter Kinder.

Während der Olympischen Sommerspiele 1972 fotografierte er nicht nur Sportler aus aller Welt im Olympischen Dorf oder die Chefhostess Silvia Sommerlath, sondern auch den Tag und die schrecklichen Ereignisse des Olympia-Attentats. Noch am Vorabend des Massakers machte Schmidt gar Bilder der israelischen Sportler, die die Geiselnahme am nächsten Tag nicht überleben sollten.

Silvia Sommerlath, 1972

Silvia Sommerlath als Hostess bei den Olympischen Spielen in München, 1972

Shmuel Rodensky mit Mitgliedern der israelischen Olympiamannschaft, 1972

Shmuel Rodensky mit israelischen Sportlern am Abend vor dem Olympia-Attentat, 1972

Otfried Schmidt starb 1991 in München und hinterließ ein vielfältiges zeithistorisches Fotoarchiv, aus dem über 3.000 Bilder in unserer Datenbank verfügbar sind.

Ahoj CTK – Bilder aus Tschechien

Vaclav HAVEL, politik, prezident, vlajka CR, Vaclav Havel, cruising boat, flag

Václav Havel in Thailand, 1994 © Igor Zehl/CTK Photobank

Wir freuen uns Ihnen unseren neuesten Partner vorstellen zu können: CTK, eine tschechische Nachrichten- und Presseagentur mit Sitz in Prag. Bei uns können Sie ab sofort eine große Auswahl an Bildern zu den Schwerpunkten Zeitgeschichte, Persönlichkeiten, Gesellschaft, sowie zu großen und kleinen Momenten der tschechischen Vergangenheit finden. Zu den Bildern von CTK Photobank

Frühling bei Timeline Images

Timeline_Images

@ ullsteinbild

Langsam aber sicher löst der Frühling die kalten und dunklen Wintertage ab. Während manche noch begeistert skifahren, sitzen andere schon in der Sonne, kämpfen gegen den Winterspeck oder verbringen vergnügliche Stunden in der Karnevalszeit. Unsere historische Fotocommunity Timeline Images zeigt Ihnen dazu Bilder von damals – humorvoll, kurios und immer ein bisschen nostalgisch.

Schauen Sie dazu in unsere Fotoalben!